Schwellenwerk Schwandorf
Am 12. Dezember 1859 wurde die Eisenbahnlinie Regensburg – Schwandorf durch die Bayerische Ostbahn eingeweiht. Die Strecken Irrenlohe – Weiden - Bayreuth und Weiden – Eger – Hof, die 1863 und 1865 in Betrieb gingen, machten Schwandorf zum Eisenbahnknotenpunkt.
Als die Ostbahn mit dem Bau des Grundnetzes begann, war es noch üblich Schienen auf Steinwürfel zu befestigen. Aus verschiedenen Gründen übernahm die Ostbahn dieses System nicht, man denke nur an die Donautalbahn, wo man Mühe hatte, Schotter bedarfsgerecht anzuliefern. Holzschwellen waren leicht zu verlegen und konnten mit ein paar kräftigen Schlägen auf die Schienen in ihrer Position einfach korrigiert werden. Neben technischen Aspekten sprachen auch wirtschaftliche Gründe und der Termindruck gegen die veraltete Methode des Gleisbaues. Ein Heer von Steinmetzen hätte im Schichtbetrieb Steine bestimmter Qualität bearbeiten und an die „Wanderbaustellen" liefern müssen.
Mit Holzschwellen ließ sich der Oberbau rationalisieren. Holz gab es damals preiswert im Überfluss. Lediglich experimentieren musste man noch mit den verschiedenen Holzarten wie Fichte, Tanne, Lärche, Buche, Föhre und Eiche.
Um den Eigenbedarf decken zu können, gründete die Ostbahn elf Imprägnieranstalten, so unter anderem in Schwandorf, Weiden und Mitterteich. Imprägnieren wiederum hat mit Konservierung zu tun (Schutz vor Fäulnis und Ungeziefer), ist aber nur ein Arbeitsgang von vielen.
Als Vorläufer des Schwellenwerkes in Schwandorf wurde um 1860 eine „Königliche Imprägnieranstalt“ im sogenannten „Gleisdreieck“, zwischen der Regensburger und der Further Bahnlinie, errichtet. Die Firmierung stammte von der Lösung mit der die Schwellen haltbar gemacht wurden. „Holzgarten“ nannte die Bevölkerung das Gelände der Imprägnieranstalt, manche sprachen auch vom „Schindergarten“ und spielten damit auf die knochenharte Handarbeit im Werk an.
Im Sommer 1872 vergrößerte man die Imprägnieranstalt, um die Jahresleistung auf etwa 100.000 Schwellen zu bringen. 1877 ist das Gelände vergrößert worden. 1882 bezog man einen neuen Standort an der Bahnlinie Schwandorf-Regensburg. Damals wurden die Schwellen, um die Wetterbeständigkeit zur erreichen, unter hydrostatischem Druck mit einer Kupfervitriollösung nach Dr. Boucherie (bekannte Methode ab 1853 angewandt) in großen Bottichen getränkt. Weitere fäulniswidrige Stoffe waren damals Quecksilberchlorid, Kreosat und Zinkchlorid.
Dank der großen Nachfrage entwickelte es sich Anfang des 20. Jahrhunderts zu einem der größten Arbeitgeber der Stadt. Bereits 1908 wurde über die Verlegung des Werks nachgedacht. Ab 1909 musste man dieses Verfahren aufgeben, weil die Schwellen nur vor der Entrindung getränkt werden konnten und ständig Klagen erhoben wurden, von dem Werk werde der Borkenkäfer verbreitet. Man ging dann zum sogenannten Rüping-Verfahren über, bei dem jährlich mindestens 200 000 Schwellen mit karbolsäurehaltigem Teeröl getränkt wurden. 1909 stellte das Werk den Betrieb ein.
1912/13 errichtete die Zentrale der Königlich-Bayerischen Staatsbahn in der Gemarkung „Moos“ im Süden der Stadt ein neues Schwellenwerk. Zentrale Punkte waren das Kesselhaus, und der Dampfkessel mit der Imprägnier- und einer großen Sägehalle. Es hatte 80 bis 125 Beschäftigte.
Nach dem 1. Weltkrieg kam eine Altschwellen- Aufbereitungsanlage hinzu. In den Jahren 1938 – 1941 erfolgte erneut eine Erweiterung des Werkes. Nach dem 2. Weltkrieg wurde das Werk laufend erweitert und modernisiert.
In den 1970er-Jahren war es weltweit das modernste seiner Art und das einzige Weichschwellenwerk für Holzschwellen in Deutschland. In seiner Blütezeit wurden bis zu einer Million Meter Schwellen im Jahr verarbeitet. Als die Industrie Betonschwellen entwickelte, ging die Fertigung von Holzschwellen in Schwandorf auf 200.000 Meter pro Jahr zurück, und die Zahl der Mitarbeiter sank von 350 in Spitzenzeiten auf knapp 100 ab.
Man verlagerte die Fertigung auf Spezialschienen und Rippelplatten. Organisatorisch unterstand das Schwellenwerk dem Betriebsamt Schwandorf und der Eisenbahndirektion Regensburg. Weil das Gebäude des Betriebsamtes beim Bombenangriff am 17. April 1945 vollständig zerstört worden war, gingen viele Unterlagen verloren. So wie das Schwellenwerk an den Bahnhof angeschlossen war, erhielt 1937 das Aluminiumwerk Dachelhofen einen Gleisanschluss, der durch das Gelände des Schwellenwerkes führte. Dieses Werk empfing regelmäßig Züge mit Bauxit. Im auf 210.000 m² Fläche gewachsenen Schwellenwerk ist 1977 ein Containerumschlagplatz eingerichtet worden, der jährlich etwa 160 Züge empfing.
Drei Jahrzehnte leitete Manfred Herdegen erfolgreich die Geschicke des Werks und wurde bei seiner Verabschiedung 1997 von der Stadt mit der Konrad-Max-Kunz Medaille geehrt. Der ehemalige Betriebsleiter ist im Jahr 2009 verstorben.
Bis zur Wiedervereinigung Deutschlands im Jahre 1989 wurden die Holzschwellen der Bundesbahn ausschließlich in Schwandorf gefertigt. Nach der Wende 1989 drohte eine Verlegung des Werks nach Brandenburg, Im Jahr 1993 beschloss die Bahn jedoch den Fortbestand des Schwandorfer Betriebes. Mit Gründung der Deutschen Bahn AG wurde 1994 die Organisation der freien Wirtschaft angepasst. Im gleichen Jahr wurde das Werk eine Niederlassung des Geschäftsbereichs Bahnbau, seit 1. Januar 1998 dem Weichenwerk Witten unterstellt und mit dem Schienenschweißwerk Nürnberg in einem Werkverbund vereint. Hatte es 1994 noch 240 Beschäftigte, so waren es 2000 nur noch 140. Heute beschäftigt das Werk knapp hundert Mitarbeiter.
1942 von Hamm für Eisenbahn-Kriegsdienste gebaut: Eine 7 Tonnen Zweiwege-Walze, die seit 2006 als Denkmal im Schwellenwerk der Bahn in Schwandorf steht.