Der Aufstieg des kleinen Bauerndorfes Wackersdorf zur modernen Industriegemeinde ist untrennbar mit der Bayerischen Braunkohlen Industrie AG (BBI) verbunden. Am 5. Februar 1906 schlug die Geburtsstunde des Unternehmens, das in seiner Blütezeit mehr als 1600 Menschen Brot und Arbeit bot.
Als anno 1800 die Braunkohle von Schneidermeister Andreas Schuster entdeckt wurde, dachte wohl keiner an den Segen, der dem unscheinbaren Dorf noch beschert werden sollte. Der Abbau der Braunkohle begann recht zögerlich und musste so manchen Rückschlag hinnehmen. 1807 beschloss das Königliche Oberste Bergamt in München, das Wackersdorfer Braunkohlenlager "als einen für das Vaterland wichtigen Schatz durch Aufdeckarbeiten zu bebauen". Ein erster Rückschlag stellte sich 1845 mit der Auflassung des Bergwerkes durch die Administration wegen "schlechter Rentierlichkeit" ein.
Stetige Entwicklung
Um die Jahrhundertwende lebten rund 300 Bewohner im Dorf, als Bergwerksdirektor Josef Geller den Braunkohlenbergbau 1902 wieder belebte. Die 1904 gegründete Gewerkschaft Klardorf baute zunächst die reichen Lagerstätten ab. Am 5. Februar 1906 wurde in Berlin ein Erfolgskapitel aufgeschlagen. "Glück auf", hieß fortan die Devise. Oberrentmeister Hugo Kösters übernahm den Vorsitz des Aufsichtsrates. Zum alleinigen Vorstandsmitglied wurde Bergwerksdirektor Joseph Geller bestimmt. Gegenstand der jungen Gesellschaft sollte der Betrieb von Braunkohlenbergbau, Brikettfabrikation und Ziegelei sein. Die Bevölkerung aus der ganzen Umgebung fand hier Arbeit. Mit Pickel und Schaufel wurden im ersten Jahr rund 150 Meter südlich des Ortes 2300 Tonnen Kohle gefördert. Das kleine Bauerndorf erlebte bald einen ersten Ansturm von Wohnungssuchenden.
Mit Beginn des ersten Weltkrieges wurde die Aufwärtsentwicklung gebremst. Von der mittlerweile 350 Mann umfassenden Belegschaft zogen anfangs 100 Männer in den Krieg. 470 Kriegsgefangene ersetzten die BBI-Bergleute. Bereits 1917 überlegte man erstmals die Kohle unter dem Bauerndorf abzubauen. Um 1940 zählte die Gemeinde rund 1500 Einwohner. Abermals wurden Planungen angestrengt, die rund zwölf Millionen Tonnen umfassenden Vorräte im "Nordfeld" abzubauen. Die Bedeutung der Kohle nahm zu und wurde nach dem Krieg zu einem begehrten Brennstoff. Mit der Entscheidung, im benachbarten Schwandorf ein Kraftwerk zu bauen, wurde ein weiterer Schub nach Vorne ausgelöst. Der Abschluss eines Kohlenlieferungsvertrages zwischen der Bayernwerk AG und der BBI sicherte nun die Zukunft des Braunkohlenwerkes das 1938 erstmals eine Million Tonnen Rohkohle förderte.
Ein Dorf muss weichen
Im Frühjahr 1948 wurde mittels Schurrenbetrieb die Kohlegewinnung im "Nordfeld" aufgenommen.
Am 13. Oktober 1948 fiel die endgültige Entscheidung, die Ortschaft Wackersdorf umzusiedeln. Als Zentraltreuhänder wurde die Bayerische Braunkohlen Industrie AG eingesetzt. Bergwerksdirektor Dr. Ernst Mallia leitete die Umsiedelungsaktion.
Um das "Nordfeld" aufzuschließen mussten 48 Anwesen wie Wohnhäuser, kommunale und kirchliche Gebäude sowie 25 fast ausschließlich werkseigene Häuser der Ostkolonie mit 83 Wohnungen und 70 Häuser mit 153 Wohnungen der Spitzhacke zum Opfer fallen. Die BBI verpflichtete sich für alle in Wackersdorf wohnenden Bergarbeiter in Neu-Wackersdorf Wohnungen zu erstellen. Als neues Siedlungsgebiet war ein cirka 30 Hektar landwirtschaftlich genutztes großes Areal nordwestlich des alten Dorfes und der Westkolonie auserkoren.
Ab Juli 1950 begannen die Abbrucharbeiten in der Ostkolonie als auch im alten Dorf. Am 6. Juli 1952 fand die feierliche Übergabe Neu-Wackersdorf statt. Der neuen Marienbrunnen wurde Bergwerksdirektor Ernst Mallia an Bürgermeister Ludwig Simbeck übergeben. Wohl nie zuvor hatte der Bergmannsgruß "Glück auf" eine tiefere Bedeutung für die Gemeinde.
In den Nachkriegsjahren entwickelte sich das Unternehmen zu einem bedeutenden Kohleproduzenten, was zu einer Anhebung der Belegschaft führte. Wegen der großen Kohlenknappheit wurde die Produktion auf eine Million Tonnen Rohkohle erhöht. Mittlerweile verdienten sich bei der BBI über 1150 Mitarbeiter ihren Lebensunterhalt.
Das Nordfeld
Die Bayernwerk AG war gezwungen, für die Versorgung des Dampfkraftwerkes "Else" in Dachelhofen nach neuen Wegen zu suchen und alte Pläne wieder zu verfolgen, da die Erschöpfung des "Ostfeldes" und des "Westfeldes" schon abzusehen war. 1946 liefen erste Aufschlussarbeiten im Tagebau "Nordfeld" an. Im Handbetrieb mit Schurren wurde schließlich am 16. März 1948 die Kohlegewinnung aufgenommen. im April 1969 war das "Nordfeld" ausgebeutet. Rund 17,2 Millionen Tonnen Kohle wurden der Erde entrissen und über elf Millionen Tonnen Abraum bewegt. Nach der Verkippung wurden 125 Hektar Fläche wieder aufgeforstet und der "Millionen-Weiher" angelegt. Auch im übrigen Tagebaugebiet liefen Rekultivierungsmaßnahmen an. Die Kohlengruben begannen sich in den 80er Jahren langsam mit Wasser zu füllen und so entstanden der Knappensee und der Steinberger See. Im Gebiet Rauberweiherhaus sind heute der Murner See und der Brücklsee zum Zentrum des "Oberpfälzer Seenlands" geworden. Edelmannsee und Lindensee bilden das letzte Glied der Seenkette.
Millionen Tonnen Kohle
Das Wackersdorfer Braunkohlerevier entwickelte sich Mitte der 70er Jahre zum größten Tagebau in Bayern und Wackersdorf zur steuerkräftigsten Gemeinde. Mit einem Rekordergebnis von acht Millionen Tonnen Kohleförderung konnte die BBI im Jahre 1974 aufwarten. In den folgenden Jahren wurde ein Förder-Rekord nach dem anderen aufgestellt. Am 21. September 1982 förderte der Schaufelradbagger SRB 4 im Tagebau Auweiher die letzte Tonne Rohkohle. Mit der Schließung des einst größten Braunkohlenwerkes in Bayern wurde auch die Allianz zwischen der BBI und der Gemeinde Wackersdorf beendet.
Am 30. September 1982 wurde die Bayerische Braunkohlen Industrie AG aus dem Handelsregister gelöscht.
von Angela Buchfelder